11.03.2021

Blick hinter die Kulissen: Chillidas Weg nach Wiesbaden (Teil 1)

Ein persönlicher Bericht von Reinhard Ernst


„Als ich meinen Freund und Architekten Fumihiko Maki vor langer Zeit kennenlernte, hat er mir berichtet, dass er in den 1990er Jahren Eduardo Chillida, einem großen Bildhauer aus dem Baskenland, begegnet und mit ihm bis zu dessen Tod befreundet war.

Von diesem Zeitpunkt an begann ich mich für die Werke von Eduardo Chillida zu interessieren. Seine zum Teil monumentalen Objekte, aber auch seine kleinteiligen Arbeiten aus Stein, Stahl und Papier begeisterten mich! In mir reifte der Wunsch, eine Skulptur von Chillida zu erwerben. Die Preise für seine Kunst waren allerdings bereits extrem gestiegen, da die Familie Chillida nur wenige Arbeiten veräußerte und Eigentümer von Chillida-Kunstwerken kein Interesse an einem Verkauf hatten.

Ich las über den etwa 12 Hektar großen Skulpturenpark Museo Chillida-Leku im baskischen Ort Hernani. Meine erste Reise dorthin fand nach einem Gespräch mit Chillidas Sohn Ignacio statt. Dieses Treffen wurde angebahnt von Frau Ursula Bleissner, die dem Partnerschaftsverein Wiesbaden ­– San Sebastián viele Jahre vorstand und Ignacio gut kannte.

Ansicht Skulpturenpark des Museo Chillida-Leku in Hernani, Spanien © Museo Chillida-Leku

Der Aufenthalt in Hernani öffnete mir die Augen! Was ich in diesem Park erlebte, ist schwer zu beschreiben: Ich war umgeben von vielen wunderschönen Skulpturen, die mir auf den ersten Blick gefielen – eingebettet in die hügelige baskische Landschaft. Und ich sah auch „Buscando la luz III“ („Looking for the light III“).

Im Laufe der Jahre folgten noch weitere Besuche im Skulpturenpark und in San Sebastián, häufig verbunden mit einem Abstecher ins Guggenheim-Museum in Bilbao. Im Verlauf dieser Reisen festigte sich meine Überzeugung, dass eine Chillida-Skulptur in meine Sammlung gehört. Meine Beziehungen zu Ignacio und einem seiner Brüder erhielt ich über die gesamten Jahre aufrecht.

In die Zeit meines ersten Aufenthaltes im Baskenland fielen auch meine ersten Kontakte mit dem damaligen Oberbürgermeister von Wiesbaden, Dr. Helmut Müller – selbst ein großer Chillida-Fan. Er war es auch, der das Museum Wiesbaden über den Kulturfonds Frankfurt RheinMain, dessen Chef er mittlerweile geworden war, unterstütze. So konnte in unserer Landeshauptstadt die Chillida-Ausstellung von November 2018 bis März 2019 stattfinden. Eine beeindruckende Show! Es wäre schön gewesen, auch eine der großen Skulpturen zu sehen, aber hier machte die Statik des Landesmuseums nicht mit.

Unser neues Museum in der Wilhelmstraße 1 zeichnet sich durch eine großzügige Lichtwirkung aus, die über einen verglasten Innenhof erzielt wird. Für dieses Atrium hatte sich unser Architekt Fumihiko Maki ursprünglich eine Skulptur ausgedacht, die aus schwarzem Granit gefertigt werden sollte.

Am 15. Oktober 2020 – wenige Tage vor einer Auktion von Sotheby’s London – entdeckte ich im entsprechenden Auktionskatalog, dass am Abend des 21. Oktober eine Skulptur von Chillida versteigert werden sollte. Auf dem Foto erkannte ich sofort „Buscando la luz III“ wieder – ein Werk, das ich selbst in Hernani fotografiert hatte! Über diesen Zufall war ich begeistert, und ich wusste: Das war meine Chance, einen Chillida für unser Museum zu erwerben. Der aufgerufene Preis schien mir zwar hoch, aber in Anbetracht der aktuellen Werte von Chillidas Skulpturen auf dem Kunstmarkt durchaus gerechtfertigt. Am nächsten Morgen rief ich meinen Freund Maki an. Ich fragte ihn, ob er etwas dagegen hätte, wenn wir im Falle einer Ersteigerung des Werkes dieses gegen seine geplante Granitskulptur austauschen. Er war hellauf begeistert und wünschte uns für die Auktion alles Gute.

Eduardo Chillida, Buscando la luz III, 2000, Cortenstahl © Zabalaga-Leku / VG Bild-Kunst, Bonn 2021

Also versuchte ich mein Glück – und hatte Erfolg: An diesem Abend gab es keinen Liebhaber, der mehr als ich für das knapp neun Tonnen schwere, dreiteilige Kunstwerk aus Corten-Stahl ausgeben wollte. Was für eine Bereicherung für unser Museum und seine Gäste!“


Doch nun musste das massive Kunstwerk noch seinen Weg nach Deutschland finden. Über die abenteuerlichen Wendungen dieser Geschichte berichtet Ihnen Carolin Langer, Kunsthistorikerin und künftige Mitarbeiterin unseres Museums Reinhard Ernst demnächst im zweiten Teil …


Link zum Museum Chillida Leku