09.09.2019

Informationsveranstaltung zur Architektur

Hans-Peter Kissler (links) und Peter Bitsch führten in die Informationsveranstaltung ein.

Ein gut gefüllter Vortragssaal im Museum Wiesbaden mit zahlreichen Architektinnen und Architekten im Publikum belegte großes Interesse an einer Veranstaltung am 9. September 2019, die über das gestalterische Konzept des Museum Reinhard Ernst informierte. Nach einer kurzen Begrüßung durch den „Hausherrn“ Dr. Jörg Daur, der nach dem Weggang von Dr. Alexander Klar dem Museum Wiesbaden vorsteht, führten Peter Bitsch vom Wiesbadener Architekturzentrum (WAZ) und Hans-Peter Kissler vom Bund Deutscher Architekten (BDA) in die Veranstaltung ein. Bitsch ließ noch einmal die Pläne Revue passieren, die in den vergangenen Jahren für das Grundstück Wilhelmstraße 1 entwickelt und wieder verworfen wurden; er beschrieb den langen Weg, der zur Freigabe des Geländes für den Bau des Museum Reinhard Ernst führte. Kissler stellte den 91-jährigen Architekten und Pritzker-Preisträger Fumihiko Maki sowie dessen Büro Maki and Associates in Tokio vor, um anschließend Michel van Ackere zum Hauptvortrag auf die Bühne zu bitten.

Ackere, ausgezeichneter Absolvent der Architekturfakultät an der Harvard University, langjähriger geschäftlicher Partner Makis und Projektleiter für den Bau des Museums in Wiesbaden, präsentierte zunächst Kulturbauten, die das Unternehmen Maki and Associates realisiert hat – darunter das Aga Khan Museum in Toronto oder das Yerba Buena Center for the Arts in San Francisco. Er erzählte, welche Begegnung den Grundstein für die Freundschaft zwischen Reinhard Ernst und Fumihiko Maki legte und wie beide mit dem „Haus der Begegnung“ in Natori gemeinsam ein erstes erfolgreiches Bauprojekt auf die Beine stellten.

Dann beschrieb der Architekt die Vorgehensweise bei der Planung des Museum Reinhard Ernst. Er erläuterte, wie sein Team die lokale Bebauung mit größeren und kleinen Häusern, Verkehrswege und architektonische Achsen rund um den Bauplatz unter die Lupe nahm. Zur Anforderung, sich ins Stadtbild und in die bauliche Nachbarschaft einzupassen, kam u. a. hinzu, dass ein Museumsbau besondere funktionale Bedingungen zu erfüllen habe – zum Beispiel in Bezug auf die Vermeidung direkter Sonneneinstrahlung zum Schutz der Kunstwerke. Über sechzig Modelle und zahlreiche Planungsänderungen waren nötig, um zum finalen Entwurf zu gelangen. Dessen Qualität wurde auch vom Wiesbadener Gestaltungsbeirat sehr gelobt. Van Ackere gewährte Einblicke in zahlreiche Besonderheiten des Museumsbaus, darunter eine an dünnen Stahlstreben aufgehängte Treppe, Lösungen zur Lenkung des Tageslichts, differenzierte Raumkonzepte zur Darstellung unterschiedlichster Gemäldeproportionen oder die weite Sicht vom Haupteingang bis in den neunten Ausstellungsraum. Diese Einteilung des umbauten Raumes in verschiedene Ebenen leitet sich aus der traditionellen japanischen Architektur ab, wie Michel van Ackere anhand von Bildbeispielen belegte. Auch der Innenhof, der mit einem japanischen Ahornbaum bewachsen sein wird, ist von fernöstlicher Kultur inspiriert. Der Architekt projizierte Grundrisse und Computervisualisierungen an die Wand, dabei ging er detailliert auf alle Bereiche des neuen Museums ein.

Auf die Frage, warum man bei der Fassadengestaltung keine Ornamente des in Wiesbaden weit verbreiteten Historismus aufgegriffen habe, antwortete van Ackere: „Es ist keine Villa, sondern ein Museum.“ Er sei sich sicher, dass sich das Haus trotz seiner modernen Formgebung und baulichen Eigenständigkeit gut ins Stadtbild einfügen werde, und schloss seinen Vortrag mit der begründeten Hoffnung, dass bei der Eröffnung im Jahr 2022 „alle happy sind“. Im Anschluss nutzten zahlreiche Besucherinnen und Besucher die Gelegenheit, das ausgestellte Architekturmodell aus der Nähe zu betrachten und sich im Einzelgespräch mit Michel van Ackere sowie den Gastgebern von WAZ und BDA über das Museum auszutauschen.

Michel van Ackere begann seinen Vortrag über das Museum Reinhard Ernst mit einer Postkartenansicht der Wilhelmstraße 1 aus dem Jahr 1904.