Loom, 1959

Mit einem umfangreichen Œuvre von mehr als 400 Werken in überwiegend außergewöhnlich großen Formaten und seinem schon früh von Kunstkritikern attestierten Talent wurde Morris Louis im Amerika der 1950er-Jahren schnell bekannt. Umso erstaunlicher ist es, dass der Künstler zunächst keine aktive Rolle in der New Yorker Kunstszene einnahm. Nach seinem Abschluss 1932 am Maryland Institute of Fine and Applied Arts in Baltimore arbeitete Louis zurückgezogen in einem kleinen Atelier, lebte für kurze Zeit in New York, zog anschließend jedoch wieder in seine Heimatstadt. Ein Besuch im Atelier von Helen Frankenthaler hinterließ beim Künstler einen nachhaltigen Eindruck, da er dort einen neuen Umgang mit der Farbe kennenlernte: Das Gießen der Farbe auf die Leinwand. Besonders erkennbar wird diese außergewöhnliche Technik in den drei bedeutendsten Werkserien Veils, Unfurleds und Stripes, bei denen Louis die Leinwand mit Farbschichten präzise durchtränkt.

Das Werk aus der Sammlung Reinhard Ernst markiert einen Wandel in Louis Œuvre. Hatte er in der Serie Veils (dt. Schleier) die Leinwand noch mit einem schwarzen Farbfilm bedeckt, tritt mit Loom die intensive Leuchtkraft der Farben in seine Werke. Das Bild zeigt zwei sich gegenüberliegende Farbflächen, die sich gegeneinander aufbäumen. Sie gehen über den Bildrand hinaus und bezwingen die helle Leinwand. 1960 ausgestellt in der von Clement Greenberg organisierten New Yorker Schau »French & Company« steht Loom gleichermaßen für die Freundschaft zwischen dem Künstler Louis und dem Kunstkritiker Greenberg. Er und der Künstler Kenneth Noland zählten zu Louis engsten Kontakten in den letzten Jahren seines Lebens. Der internationale Kunstmarkt öffnet sich für die Werke von Morris Louis erst in den 1960er-Jahren. Einerseits von seinem frühen Tod 1962 überschattet, unterstreicht andererseits die posthume Teilnahme an der documenta III und IV in Kassel die große Bedeutung von Morris Louis im Kunstgeschehen der 1950er- und 1960er-Jahre.