15.04.2020

2020: Kunst unterwegs

Foto: Museum Wiesbaden/Bernd Fickert

Aktuell im Museum Wiesbaden ausgestellt, jedoch wegen des Corona-Virus zur Zeit nicht zu sehen: vier Werke von Alexej von Jawlensky aus der Sammlung Reinhard Ernst. Sie gehören zur Ausstellung „Lebensmenschen“ und wurden erst ein einziges Mal – nämlich bei einer Ausstellung der Constitutional Rights Foundation im Jahr 1969 – öffentlich gezeigt. Interessant ist die Biografie der Werke:

Nach aktueller Kenntnis schuf Alexej von Jawlensky die vier Exponate in den Jahren 1916 bis 1920 in der Schweiz. Sie trugen zunächst wohl den Namen „Variationen“ und gelangten in den Besitz seiner Freundin Marianne von Werefkin. Die Malerin behielt die Kunstwerke auch nach der Trennung von Jawlensky im Jahr 1921 bei sich. Aus dem Nachlass Werefkins wurden sie 1938 an ihren Neffen Alexander von Werefkin vererbt und fanden dann vorübergehend eine Heimat bei Gertrude Stein. Die berühmte Schriftstellerin, die sich auch als Kunstsammlerin einen Namen machte, verkaufte die Bilder 1968 an ein Sammler-Ehepaar in Los Angeles. Die Namen „Frühling“, „Sommer“, „Herbst“ und „Winter“ sind erstmals durch die Rechnung von Gertrude Stein belegt.

Erst vier Jahrzehnte später wurden die vier Gemälde in die Sammlung Reinhard Ernst aufgenommen: Im Januar kam der Leiter einer New Yorker Galerie, über die Reinhard Ernst bereits einige US-amerikanische Kunstwerke erworben hatte, zu Besuch in dessen Depot und entdeckte, dass der Sammler bereits eine abstrakte Arbeit Alexej von Jawlenskys besaß. Er machte Ernst darauf aufmerksam, dass das Jahreszeiten-Quartett zu erwerben sei. Neben der hohen künstlerischen Qualität seien der gute Zustand und die eindeutige Provenienz der Werke zu betonen. Ernst ließ sich die Dokumente zu den Bildern zusenden. Auch einen Briefverkehr der letzten Besitzer mit dem damaligen Direktor des Museums Wiesbaden, Clemens Weiler, konnte er einsehen. Dieser vermutete, dass die Werke in Ascona gemalt wurden. In dieser Zeit habe Jawlensky Variationen mit Titeln von Jahreszeiten geschaffen. Zudem lag eine Bestätigung des Jawlensky-Archivs in Muralto zur Echtheit der vier Gemälde vor. Reinhard Ernst war von dem Lebensweg der Arbeiten fasziniert und bat den Galeristen, sie zur Art Cologne – einer deutschen Kunstmesse – mitzubringen, damit er sie in Augenschein nehmen könne.

Im April 2018 war es dann soweit: Reinhard Ernst stand den Originalarbeiten erstmals persönlich gegenüber – und ließ sich von ihnen verzaubern. Nachdem man sich auf einen Preis einig werden konnte, wurde die vierfache Neuerwerbung für die Sammlung Reinhard Ernst besiegelt.

Die Werke als Leihgabe für die Ausstellung „Lebensmenschen“ – zunächst im Lenbachhaus München, dann im Museum Wiesbaden – zur Verfügung zu stellen, war für Ernst Ehrensache. Zumal er die von ihm gesammelte Kunst so häufig wie möglich der Öffentlichkeit zugänglich machen will. Mit dem Museum Wiesbaden verbindet ihn darüber hinaus eine besondere Nähe – nicht nur räumlich durch die direkte Nachbarschaft zum im Bau befindlichen Museum Reinhard Ernst, sondern auch durch einen kontinuierlichen kulturellen Dialog.

Nach München und Wiesbaden zieht die Ausstellung – und damit auch das Quartett von Jawlensky – weiter nach Ascona, wo sie im Museo Comunale d’Arte Moderna (dem Sitz der Fondazione Marianne Werefkin) ab Herbst 2020 zu sehen sein wird.

[Wir bedanken uns bei Roman Zieglgänsberger, der als Kurator im Museum Wiesbaden die Ausstellung „Lebensmenschen“ zusammengestellt hat, für zusätzliche Informationen zu den Kunstwerken.]