14.09.2023

Die Stucco-Wände im mre

Über die Wände in den Ausstellungsräumen des Museums Reinhard Ernst (mre) haben wir bereits berichtet: Hier kommt ein besonderer Akustikputz zum Einsatz, der dafür sorgt, dass man sich beim Betrachten der Bilder in normaler Lautstärke unterhalten kann.

Heute geht es in unserem Baustellenbericht um eine aufwändige handwerkliche Technik, die in den Fluren rund um das Atrium und im Untergeschoss ausgeführt wird. Auf insgesamt 1500 Quadratmetern, verteilt über alle vier Ebenen – im Untergeschoss, im Foyer, sowie im ersten und zweiten Obergeschoss – hat ein Team der Firma Steuernagel und Lampert aus dem Odenwald Wandflächen in der Stucco-Technik veredelt.

Stucco kommt aus dem Italienischen und bedeutet Stuck. In unserem Fall ist damit ein bestimmter Putz gemeint, bekannt als Marmorino. Der auf Basis von gelöschtem Kalk verarbeitete Stucco wird in sieben Arbeitsschritten aufgetragen. Dieses Verfahren wurde bereits vor 2000 Jahren von den Römern angewendet, um einen Marmoreffekt auf Säulen zu erzeugen – aus Kostengründen, denn diese Art der Wanddekoration war günstiger als Marmor. Auch heute kann diese besondere Wandveredelung noch in vielen italienischen Palazzi besichtigt werden, die durch ihre besondere Farbgebung in Erinnerung bleiben. Der Bauherr Reinhard Ernst bewundert und nutzt diese meisterliche Technik seit vielen Jahren und hat diese für die Wände des mre ausgesucht: „Ich habe für unser Museum bei unterschiedlichen Maler-Betrieben verschiedene Muster anfertigen lassen. Die Firma Steuernagel und Lampert hat schließlich den Auftrag bekommen. Bei der Farbe habe ich mich für Weiß entschieden. Dieser Farbton ist sehr unauffällig, und man kann die aufwändige Technik erst auf den zweiten Blick erkennen. Genau das war gewünscht.“

Wenn feinste Kalkputze mittels Glättetechnik verarbeitet werden, ist das handwerklich sehr aufwändig, im Ergebnis jedoch umso beeindruckender. Zunächst wird die Wandfläche grundiert und die Oberfläche im ersten Spachtelgang mit einer Kalkschicht bedeckt. Kalk eignet sich als Bindemittel hervorragend, weil es sich gut verdichten lässt, sagt Kai Millitzer, Meister des Maler- und Lackiererhandwerks der Firma Steuernagel und Lampert. Diese Eigenschaft des Materials ist später entscheidend für den besonderen Glanzeffekt. „Der zweite Spachtelgang wird aufgetragen, sobald der erste getrocknet ist. Hier gilt als Faustregel 24 Stunden Trockenzeit pro Millimeter Auftrag. Zunächst wird ein Zwischenschliff durchgeführt, dann folgt der strukturgebende Spachtelgang. Durch den Druck und den flachen Winkel wird die Oberfläche weiter verdichtet“, sagt Millitzer. Der besonders glänzende Effekt wird dann durch einen teilweise zweifachen abschließenden Wachsauftrag erzielt. „Die auf Bienenwachs beruhende letzte Schicht macht die Fläche beständiger gegenüber Kratzern. Auch wird dadurch ein höherer Glanzeffekt erzielt, weil die offenporigen Bereiche durch das Wachs verdichtet werden.“ Für die Arbeiten werden hochwertige Materialien und Werkzeuge eingesetzt, damit diese keinen Schwarzabrieb auf der Oberfläche hinterlassen – ein wichtiges Detail, wenn die Wände in einem reinen Weiß erstrahlen sollen.

Das Museum Reinhard Ernst ist nicht nur ein Bau für die Kunst, sondern auch ein kunstvoller Bau. Wenn das Museum eröffnet ist, verdienen auch die Wände Ihre besondere Aufmerksamkeit.