03.04.2023

„Ein Glas Wasser, bitte“

Was geschieht, wenn zwei Farben aufeinandertreffen? Dieser grundsätzlichen künstlerischen Frage geht Katharina Grosse in ihrer ersten Glasarbeit „Ein Glas Wasser, bitte“ nach. Bei diesem Kunstwerk dreht sich alles um die Komplementärfarben Blau und Orange sowie darum, „wie sich diese Farben in einem wässrigen Zustand mischen, durchkreuzen, abstoßen, stören und bereichern“, so die Künstlerin über ihren Entwurf. „Es geht um die Energie, die dabei entsteht. Diese Energie hat eine transformatorische Kraft, die alle, die vor oder hinter der Glaswand sind und schauen, inspirieren und begeistern kann. Sie zeigt, dass die Welt im Fluss ist.“

Ein kleiner Vorgeschmack auf „Ein Glas Wasser, bitte“. Foto: Grün (mre)

Was verbirgt sich hinter Katharina Grosses erster Glasarbeit?

Das Kunstwerk wurde eigens für das Museum Reinhard Ernst entwickelt. Dafür wechselte die Künstlerin sogar ihr übliches Medium: Katharina Grosse arbeitet sonst auf Leinwand oder mit einem aufwändigen Sprühtechnikverfahren, doch für das neue Wiesbadener Museum schafft sie ein tonnenschweres Glaskunstwerk.

Hinter der Glasmalerei befindet sich das Herzstück der Kunstvermittlung im mre – das Farblabor im Erdgeschoss des Museums. Hier dürfen große und kleine Forscher:innen an verschiedenen digitalen Versuchsstationen mit schier unerschöpflichen Erscheinungsformen der Malerei experimentieren. Grosse, die ihre Arbeiten als Prototypen der Imagination beschreibt, schafft mit ein „Glas Wasser, bitte“ den bestmöglichen gastlichen Rahmen hierfür.

Wie groß wird das Werk sein?

Die transformatorische Kraft dieses Farbrausches wird auch in den Dimensionen des Werks erfahrbar: Die Arbeit ist ca. 8,40 Meter breit und ca. 4 Meter hoch. Sie wurde in acht Glaspanels unterteilt. Jedes Glaspanel wiegt rund 330 Kilogramm.

Wie kann man sich den Herstellungsprozess vorstellen?

Die Umsetzung des Entwurfs übernahm die Glasmanufaktur Derix in Taunusstein. Der traditionsreiche Kunsthandwerksbetrieb ist auf hochkomplexe Glaskunstarbeiten spezialisiert, sein Team hat auch Gerhard Richters aufsehenerregendes Kirchenfenster für den Kölner Dom ausgeführt.

Fusing und Airbrush, Ätzen und Malen, thermische Verformungen – bei diesem Kunstwerk von Katharina Grosse kam in monatelanger Detailarbeit eine Kombination unterschiedlicher Glasarten und Glasbearbeitungstechniken zum Einsatz. Ein Team von acht Mitarbeiter:innen war mit der Ausführung beschäftigt.

Gemeinsam werfen wir einen Blick auf Grosses Entwurf. Foto: Grün (mre)

Am Anfang stand der von Katharina Grosse angefertigte Entwurf. Er wurde digitalisiert und diente als Grundlage für Zeichnungen, Pläne und Schablonen. Anschließend wurde der Glaszuschnitt vorgenommen.

Unterschiedliche Glasarten machen den Charakter dieses Werkes aus: Als Trägerscheiben wurden Verbundsicherheitsgläser genutzt, diese werden von beiden Seiten mit künstlerisch veredelten mundgeblasenen Echt­-Antikgläsern und gefusten Glaselementen beklebt.

Echt-Antikgläser sind besonders farbintensiv und verfügen über eine individuelle, einzigartige Oberflächenstruktur. In intensiver Handarbeit bearbeiteten die Mitarbeiter:innen der Derix Glasstudios die Oberfläche mit Säure, um zusätzliche Strukturen und Farbschattierungen zu erzeugen.

Auch Glasschmelzfarben kamen zum Einsatz, die nach dem Auftrag von Hand und mit der Airbrush-Pistole in die Gläser eingebrannt und so haltbar gemacht wurden. Außerdem nutzte das Derix-Team sogenannte Fusinggläser, die als Glaspulver im Ofen ausgelegt und dann in einem Hochtemperaturbrand zu organischen Formen zusammengeschmolzen wurden. Durch das Zusammenspiel der Fusing- und Echt-Antikgläser mit dem Licht entstehen einzigartige Farbkombinationen und -spiele.

Hier wird Katharina Grosses Glasarbeit bald eingesetzt. (Foto: Helbig/Marburger)

Wird es noch weitere für das mre angefertigte Kunstwerke geben?

Im Museums Reinhard Ernst sind neben Katharina Grosse weitere Künstler:innen mit Glasarbeiten vertreten, darunter MadC und Karl­-Martin Hartmann. Grosses Glasarbeiten werden im Sommer 2023 im Museum Reinhard Ernst installiert.