17.10.2022

Update Oktober 2022: Interview mit Michel van Ackere

Fassade Museum Reinhard Ernst
Foto: Klaus Helbig/Frank Marburger

Regelmäßig reist Michel van Ackere – Projektleiter für das Museum Reinhard Ernst im japanischen Architekturbüro Maki and Associates – nach Wiesbaden, um den Baufortschritt vor Ort zu begleiten. Knapp ein Jahr nach seinem letzten Interview steht uns Michel van Ackere wieder für ein paar Fragen zur Verfügung.


Willkommen zurück in Wiesbaden! Die Sonne scheint, und nachdem das Gerüst nun verschwunden ist, zeigt sich die Fassade von ihrer schönsten Seite. Sind Sie mit dem Ergebnis zufrieden?

Tatsächlich hat es der ausgesuchte Stein geschafft, die Design-Intentionen von Fumihiko Maki sehr genau aufzunehmen und umzusetzen. Die Aufrauhung der weißen Granitplatten hat zur Folge, dass sie je nach Lichtverhältnisse und Wetter kristallartig glänzen. Gerade gestern ist mir auch aufgefallen, wie wunderbar sich die Schatten der benachbarten Bäume auf die weißen Fassadenwände projizieren. Das war eine positive Überraschung und ein Effekt, den wir so nicht vorhergesehen hatten.

Im Inneren des Gebäudes haben Sie großen Wert auf jede Fugenlinie und Kante gelegt. Kommt die Planung der Außenanlage mit Begrünung, Wegeführung und Terrasse auch von Ihrem Architekturbüro?

Ja, die übergeordnete Planung des umliegenden Geländes stammt ebenfalls von uns. Dafür haben wir den japanischen Landschaftsarchitekten Makoto Noborisaka von Blue Ocean Design einbezogen. Inspiriert wurden wir außerdem von den gestreiften geologischen Formationen des Taunus, die sich nun in diversen Pflanzbereichen in Treppenform wiederfinden. Und durch die unterschiedlichen Ebenen mit Begrünung lässt sich auch der Höhenunterschied von der Wilhelmstraße zum Eingang überwinden.
Herr und Frau Ernst bringen zusammen sehr viel Wissen und Erfahrung über Pflanzen, Begrünung und Bäume mit. Ich glaube, dass sie die einzelnen Bäume bereits persönlich ausgesucht haben und diese voraussichtlich im Dezember eingepflanzt werden.
Da auch das Dach begrünt sein wird, wird das Museum von oben wie eine grüne Oase wirken.

Ihr Job ist es hier vor Ort, die besonderen Herausforderungen auf der Baustelle zu sehen und auf der Zielgeraden Klippen zu umschiffen. Gibt es aktuelle Themen, die nicht rund laufen?

Es gibt zum Glück momentan keine größeren Probleme, dafür aber dutzende kleine. Für die letzte Phase eines Baus ist das normal. Nicht immer können die Pläne des Architekten vor Ort millimetergenau umgesetzt werden, und dann müssen schnelle Lösungen her. Ich bin sehr dankbar, dass die einzelnen Gewerke proaktiv mitarbeiten und stets das beste Ergebnis suchen. Dadurch können wir die kleinen Stolpersteine frühzeitig aus dem Weg räumen.
Tatsächlich ist das Museum Reinhard Ernst zwar kein Großbau, doch es ist in sich sehr kompliziert, hochwertig und anspruchsvoll.
Selbstverständlich hatte auch die Corona-Pandemie einen Einfluss auf die Beschaffung von Materialien und deren Verfügbarkeit. Das konnte niemand so hervorsagen, und wir hoffen, dass uns solche Hürden nicht mehr in den Weg gestellt werden.

Foto: Klaus Helbig/Frank Marburger

Warum ist Ihr jetziger Besuch deutlich kürzer als die vorangegangenen?

Der Entfall von PCR-Tests, Impfpflicht und vor allem der Quarantäne machen das Reisen wieder deutlich einfacher möglich und zwingen mich nicht zu dreiwöchigen Aufenhalten. Zwischen Februar 2020 und August 2021 durften wir Japan nicht verlassen, und so gibt es jetzt einige Themen aufzuholen. Wie gesagt: Ich bin dafür da, die Probleme zu sehen, und das kann ich am besten vor Ort. Daher der kurze Besuch von wenigen Tagen. Es war purer Zufall, dass die Einbringung der Chillida- und Schultze-Skulpturen genau in diese Woche fiel und ich dieses Highlight sowie die perfekte Arbeit des Metallbauunternehmens Huhle miterleben durfte.

Apropos Chillida – die Skulptur wurde von Herrn Ernst gekauft, nachdem Sie die Planung abgeschlossen und der Bau bereits begonnen hatte. Was bedeutete das für Ihre Statikberechnung?

(lacht) Ja, tatsächlich wäre es einfacher gewesen, an den Plänen festzuhalten. Aber die Chance auf einen Weltklasse-Chillida im Atrium war für uns Motivation genug, noch einmal neu zu planen und Lösungen für die Gewichtsthematik zu finden. Dabei war auch die Chillida-Stiftung eingebunden, denn die Platzierung des Werkes war entscheidend für die Verteilung der neun Tonnen. Zum Glück steht es im Erdgeschoss und nicht in den oberen Etagen!

Ist auch Fumihiko Maki mit dem Fortschritt und der Entwicklung des Museums Reinhard Ernst zufrieden?

Als Herr Maki das Grundstück an der Wilhelmstraße 1 zum ersten Mal mit Herrn Ernst besucht hat, fing er an, Skizzen zu zeichnen. Er hatte wohl sofort eine Vision, wie das Gebäude aussehen sollte. Diese ersten Skizzen hat noch nie jemand gesehen. Aufgrund von Bildern, die ich ihm regelmäßig zeige, weiß ich, dass er mit dem Fortschritt zufrieden ist. Mehr als das interessiert ihn aber, ob Herr Ernst damit glücklich ist. Das ist der Grund, warum ich Herrn Maki als Architekt und Mentor so einzigartig finde. Er hat immer im Kopf, dass er das Gebäude nicht für sich, sondern für Herrn und Frau Ernst, für die Stiftung und natürlich für Wiesbaden baut.

Vielen Dank für diesen Zwischenbericht! 
Wir freuen uns schon auf das nächste Wiedersehen.

Foto: Klaus Helbig/Frank Marburger