30.09.2022

Blick hinter die Kulissen: Chillidas Reise ins mre-Atrium

In Teil 1 und Teil 2 unseres Blick hinter die Kulissen schilderte Reinhard Ernst die Geschichte zum Erwerb der Skulptur. Carolin Langer, Sammlungsmanagerin, gab Einblicke in den nervenaufreibenden Verlauf des Transportes. In diesem Bericht folgen nun weitere Details über Chillidas Weg nach Wiesbaden.


Eine wechselvolle Geschichte fand nun ein Happy End: Direkt nach dem Kauf in London verunglückte die Skulptur „Buscando la luz III“ beim Transport, musste aufwendig in Deutschland restauriert werden und hat nun – nach eineinhalb Jahren – ihren finalen Platz im Atrium des Museum Reinhard Ernst gefunden.

Der Transport startete am 15. September 2022 gegen Mittag am Kunstdepot des Sammlers. Zeitlich musste die Einbringung auf die Nachtstunden gelegt werden, da die Stadt nur dies genehmigte.

Mit einem speziellen Lastwagen mit Ladekran wurden die Einzelteile aus Cortenstahl auf den Tieflader gehoben. Reinhard Ernst persönlich beobachtete vor Ort, wie die dreiteilige Skulptur vorsichtig aufgeladen wurden. Unbedingt sollte vermieden werden, dass erneut ein Unglück geschieht. Eduard Chillida wusste um die Herausforderung des Anhebens und hatte dafür eigens unsichtbare Gewindeösen mit Hängevorrichtung ins Werk eingebaut. Durch die gute Zusammenarbeit zwischen dem mre-Gebäudemanager Kevin Thill, dem Transportunternehmer Stephan Haas und dem professionellen Mitarbeiter der Firma Huhle gelang der Drahtseilakt.

Mit auf die Reise ging auch der Kraken-Migof von Bernard Schultze, ein Bronzeobjekt auf einer Cortenstahlplatte. Seit Jahren stand es vor der Zentrale des Unternehmens Harmonic Drive und musste nun vorsichtig gereinigt, angehoben und von unten inspiziert werden. Würde die Unterkonstruktion auf die Vorrichtung im Museum passen? Fotos wurden weitergeleitet, Justierungen direkt vor Ort und praktisch zeitgleich umgesetzt, sodass alles für den Abend vorbereitet war.

Große Banner, die die Skulpturen umspannten, kündigten an: „Eduardo Chillida und Bernard Schultze auf dem Weg ins mre!“ So ging der 50-minütige Weg nach Wiesbaden los.

Nach einem kurzen Zwischenstopp kam der kostbare Transport um 22 Uhr am Museum an. Die Einhebung ins Gebäude sollte von der Rheinstraße vorgenommen werden. Die Straße war rechtzeitig gesperrt worden, das Fahrzeug stand seitlich zum Haus, und innerhalb von einer Stunde wurden die Kunstwerke auf dem Bürgersteig „zwischengeparkt“. Fast gleichzeitig kam ein Schwerlastkran mit 90 Meter langen Schwenkarm an, und die Mitarbeiter der Firma Huhle begannen, den Kran auszufahren. Mit großer Vorsicht und umfassendem Weitblick für das Geschehen auf der Straße, die umliegenden Straßenlaternen und Bäume wurde der Kran aufgestellt.

Alle und alles war bereit. Die Nachbarschaft schaute von den Balkonen zu, der Wiesbadener Partnerschaftsverein San Sebastián reichte vor Ort spanischen Rotwein und köstliche „Pintxos“, während das einmalige Erlebnis um die Skulptur des baskischen Künstlers mitverfolgt werden konnte.

Beginnend mit dem Kraken-Migof startete die Einbringung. Die Bronze-Skulptur sollte ihren Platz auf einem Balkon zur Rheinstraße finden. Mit 30 Zentimetern Abstand zu jeder Gebäudeseite musste es hier eine Punktlandung geben. Höchste Präzision, eine ruhige Hand des Kranführers und exakte Kommunikation über Funk ermöglichten den Erfolg – aber geht die Tür des Balkons noch auf? Es passte genau!

Nun wurden die Trageseile am ersten Objekt von Chillida befestigt. Schnell platzierten sich Frau und Herr Ernst, das Museumsteam und die Presse sowie einige Freund:innen der Familie Ernst um den Innenhof im Erdgeschoss, um den Einflug der Skulptur zu beobachten. Eine fast schon andächtige Stille entstand, als das große Stahlobjekt am Nachthimmel erschien und langsam vorbei an den weißen Granitwänden des Atriums auf seinen Platz schwebte.

Um 2 Uhr nachts löst sich die Krankette vom letzten Skulpturteil. „Buscando la luz III“ – zu Deutsch „Auf der Suche nach dem Licht III“, – kann nun auf die ersten Sonnenstrahlen im Museum Reinhard Ernst warten.

Carolin Langer